Die Papierarbeiten entstehen bei Harald Huss auf flach liegenden Büttenblättern, wobei er immer an mehreren Blättern parallel arbeitet. So kann eine Farbschicht antrocknen, bis die nächste aufgetragen wird. Die höchste Aufmerksamkeit des Künstlers gilt sowohl den sich auflösenden Rändern als auch den vibrierenden und sich in der Schwebe haltenden Flächen. Während die Farbe in zwei einander gegenüberliegenden Randzonen zu glühen beginnt, verliert sich die Farbmaterie an den Rändern und der Unterlage. Hier beginnen die Grenzen zwischen Werk und Umgebung, zwischen Kunst und Nicht-Kunst sich aufzulösen.
Die Radikalität der Umkehrung der Kompositionsprinzipien in der Malerei kann man in ihrer Bedeutung nicht hoch genug einschätzen, zumal es dazu eigentlich keine direkten Vorbilder oder Parallelen gibt. Vielleicht mag man an Mark Rothkos Farbfeldmalerei denken. Doch die Ähnlichkeiten sind eher vordergründig.
Werk
»Farbe ist mein Thema«, bekannte der Künstler Harald Huss. Für seine Werke verwendete er eine Lasurtechnik, für die er zum Teil über dreißig bis vierzig verschiedene Farbtöne übereinander auftrug. Die Konsistenz ähnelt der von Wasserfarben. Tiefrot, Orange, Gelb, Rosa: Die Oberfläche der Farbtafeln ist nur ein Teil der Wahrheit. Ihr eigentlicher Charakter liegt tiefer.
Schicht um Schicht baute Harald Huss seine Bilder auf, eine Farbe überlagert, verändert, beeinflusst die andere. Diese buchstäbliche Vielschichtigkeit prägt die Werke des Künstlers. Ihre Entstehungsgeschichte ist zentraler Teil des Ergebnisses. Welche Farbe am Ende vorherrschte, das entschied sich im Werden. Schicht um Schicht an Zeit, Überlegung, Prozessbeobachtung erfolgte, bis in der obersten Farbhaut das Bildwerk zur Vollendung kam.
So streng die Arbeiten des Künstlers wirken – Spontaneität und Zufall gehören dazu. Klar abgegrenzt zeigen sich die Farbfelder auf Leinwand und Metall. Einen eher poetischen Charakter gewinnen die Arbeiten auf Papier, auch weil sie sich in diesem Medium anders verhalten. An den Rändern werden die vielen Farbschichten sichtbar, die eine ganz besondere Wirkung entfalten.
Hauptinspirationsquelle war für Harald Huss die Natur: Lavendelfelder der Provence, Palmblätter, die zu farbigen Booten werden, Stämme von Bananenstauden, die ebenfalls in Schichten aufgebaut sind und als Motiv für eine Fotoserie dienten. Und immer wieder faszinieren ihn auch architektonische Formen.
Harald Huss Herangehensweise war konzeptionell. In Ausstellungen achtete er stets auf die Beziehung seiner Werke zu den jeweiligen Räumen. Intensive Farbklänge veränderten den Ort. Trotz dieser starken Intensität und Vielfarbigkeit ermöglicht er Betrachtern seiner monochrom wirkenden Gemälden auch den Zugang zu einer meditativen Ruhe.
Übrigens arbeitet Harald Huss keinesfalls nur auf Leinwand, im Gegenteil, Sie werden Papier, Holz, sogar Diabond entdecken und auf jedem Träger entfaltet die Farbe anders ihre Wirkung. Besonders schön finde ich seine Buchobjekte, bei denen er die Bücher nicht nur bemalt, sondern deren Seiten er auch mit seiner Malerei versiegelt. So verwandelt er sie in geheimnisvolle Schatzkästchen, deren Inhalte unter den Schleiern seiner Farben auf immer verschlossen sind (Tobias Wall anlässlich der Eröffnung der Ausstellung Open Field. Monika Schaber und Harald Huss. Galerie der Stadt Wendlingen, 02. Dezember 2015).